Mittwoch, 05.04.: Hallo zusammen… Am heutigen Mittwoch mussten wir schon ganz zeitig von der Stadt Hiroshima Abschied nehmen. Das allmorgendliche Briefing von und mit Toshi fand heute am Bahnhof statt und wird immer mehr zu einer Art Gameshow. Nach dem obligatorischen Wetterbericht (heute leicht bewölkt mit 20 Grad) gab es mal wieder eine Lotterie. Da es auf der Reise neben mir und dem Schweizer Pärchen noch 9 Singledamen gibt, darf immer eine im Einzelzimmer schlafen. Alle anderen müssen sich ein Doppelzimmer mit einer anderen Mitreisenden teilen (was aber für niemanden ein Problem darstellt). Bisher hat Toshi immer per Lotterie (Stäbchen ziehen) entschieden wer mit wem im Zimmer schläft, und wer ins Einzelzimmer darf. Da sich die Mädels inzwischen untereinander geeinigt haben, ist diese Ziehung überflüssig geworden. Doch Toshi gibt nicht auf! Heute verloste er Fensterplätze im Zug. Aber auch hier konnte nur einen Teilerfolg landen, da einige gar nicht am Fenster sitzen wollten… mal schauen was morgen verlost wird
Heute waren wir also wieder mit dem Schnellzug “Shinkansen” unterwegs. Da die Distanzen in Japan längst nicht so gross sind wie in China, waren wir dann auch schon vor dem Mittag in Kyoto angekommen…
Da ich inzwischen alle Namen drauf habe, hier nochmal eine kurze Vorstellungsrunde. Ich fange mit der vordersten Reihe an und beginne immer von links: Patrick (Schweiz), Livia (Schweiz), Toshi (Japan), Volker (Ludwigsburg). Reihe 2: Filipa (Australien), Alexandra (Argentinien), Rachel (Australien). Reihe 3: Jinsey (Indien), Astrid (Österreich), Diane (Australien). Reihe 4: Clara (Kanada), Katie (England) und Tori (Australien).
Übrigens: Filipa knackt den Altersrekord meiner bisherigen G-Adventure-Mitreisenden um Längen. Sie ist 77 Jahre alt (habe ich heute erfahren), aber macht wirklich alles mit (und wir sind hier sehr viel zu Fuss unterwegs), trägt ihren Rucksack immer selber, und ist super in die Gruppe integriert!
Leider konnten wir bei der Ankunft in unserem wieder sehr schönen, und zentral gelegenen Hotel in Kyoto noch nicht in die Zimmer, so dass wir nach einer kurzen Mittagspause direkt zum Sightseeing übergingen.
Unser erstes Ziel war einer der bekanntesten Shinto-Schreine in Japan, der “Fushimi Inari-Taisha”. Neben dem Buddhismus ist Shinto die Hauptreligion in Japan. Laut Toshi leben die meisten Japaner irgendwie beide Religionen, wobei Shinto eher die Religion des Lebens ist, und der Buddhismus die des Todes. Heißt also: Wenn Japaner heiraten, tun sie dies eher in einem Schrein (Shinto), eine Beerdigung wird im Tempel (Buddhismus) abgehalten.
Der “Fushimi Inari-Taisha”-Schrein ist vor allem durch seine Allee aus insgesamt über 5000 scharlachroten Toren bekannt, die den kompletten Rundweg zum Gipfel des Berges und zurück (etwa 2 Stunden zu Fuss) über den Wegen errichtet wurden. Das macht diesen Schrein in der Welt einzigartig.
Nachdem wir in die Stadt zurückgekehrt waren und im Hotel eingecheckt hatten, konnten wir den Nachmittag selbst gestalten.
Auch wenn Kyoto mit knapp 1,5 Millionen Einwohnern nicht die größte Stadt Japans ist, so ist sie doch geschichtlich und kulturell die wichtigste. Fast 1100 Jahre lang (zwischen 794 und 1868) befand sich in Kyoto der Sitz des kaiserlichen Hofes. Insgesamt 17 Tempel und Shinto-Schreine in und um Kyoto wurden zudem 1994 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.
Auch wenn die Stadt sich mit der steigenden Anzahl der Touristen sicherlich sehr verändert hat, ist sie keinesfalls mit Großstädten wie Tokio oder Osaka zu vergleichen. Die Anzahl an Hochhäusern oder anderen futuristischen Gebäuden (abgesehen vom Kyoto-Tower, aber dazu vielleicht morgen mehr) ist wirklich sehr überschaubar. Das Flair und die Traditionen des “alten” Japans sind durch die vielen gut erhaltenen historischen Gebäude (aus meiner Sicht) immernoch deutlich spürbar.
Einige aus der Gruppe besuchten am späten Nachmittag eine japanische Show (die wohl ziemlich schlecht gewesen sein soll). Ich zog es vor mir noch ein bisschen die Umgebung anzusehen. Clara (Kanada) und Astrid (Österreich) begleiteten mich.
Quasi direkt neben unserem Hotel befand sich der Maruyama-Park, der zu dieser Zeit wirklich supervoll, aber trotzdem auf jeden Fall einen Besuch wert war. Direkt nach dem Eingang sah man viele Leute am “Yasaka-Jinja”-Schrein beten. Interessant ist dabei, dass man immer die Götter auf sich aufmerksam machen, bzw. diese wecken muss wenn man am Schrein betet. Das macht man entweder wenn man laut in die Hände klatscht, oder eine am Schrein angebrachte Glocke laut läutet.
Und da war sie also endlich: Die so bekannte Kirschblüte Kyotos, die uns noch den ganzen Tag begleiten sollte
Wir trafen auch auf ganz viele (freundliche und lachende) Einheimische. Viele Damen hatten einen Kimono an (und ließen sich vor der Kirschblüte fotografieren), das Ehepaar (unten links) störten wir ein wenig bei ihren Hochzeitsfotos
Auf unserem Weg Richtung Nordosten der Stadt passierten wir weitere eindrucksvolle Tempel, wie z.B. den “Chionin-Tempel” oder den “Shorenin-Tempel”.
Einer der bekanntesten, und beliebtesten Plätze Kyotos ist der “Philosophenweg”, ein knapp 2km langer Wanderweg, an dem sich hunderte blühender Kirschbäume befanden. Alle, die inzwischen schon genug Kirschblüten gesehen haben, bitte jetzt einfach weiterscrollen. Für alle anderen: zum Genießen
Auf dem Rückweg zum Hotel packte uns der Hunger. Nach kurzer Suche fiel uns dieses sehr unscheinbare japanische Restaurant (etwa 10m² gross) mit genau 11 Sitzplätzen auf. Ein lächelnder, älterer Herr bat uns herein und versorgte uns mit einer überragenden Nudel-Rindfleisch-Suppe sowie frittierten Dumplings. Dabei war er Koch, Kellner und Bespaßer in einem.
Zurück im Hotel war nur kurz Zeit zum Umziehen, denn Toshi bat am Abend zum “Geisha-Hunting”. Damit konnte ich nun überhaupt nichts anfangen, aber es wurde mir schnell klar… Wir brachen zu einem kurzen Spaziergang in ein direkt benachbartes Viertel auf… Auch da gab es Kirschblüten ooooooooooohne Ende
Das benachbarte Viertel nannte sich Hanamachi, und war so eine Art Vergnügungsviertel der Stadt. In den Strassen und Gassen befand sich (mit gutem Sichtschutz versehen) ein Nobelrestaurant neben dem anderen (Durchschnittspreis eines Fleischgerichtes: etwa 60€). Vor allem Spitzenpolitiker, Geschäftsleute oder Priester suchen diese Örtlichkeiten gerne zum Dinner auf.
Um sich die Zeit vor, nach und beim Essen ein wenig angenehmer zu gestalten, werden in den Hanamachis oft auch noch Geishas engagiert. Aufwendig (mit weißer Hautfarbe) geschminkt, toll frisiert und gekleidet bieten sie zur Unterhaltung traditionelle japanische Künste, wie z.B. Singen und Tanzen an.
Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert waren die Dienste von Geishas sehr gefragt und auch noch recht erschwinglich. Fast jede grössere Stadt hatte mindestens ein Hanamachi. Inzwischen sinkt die Zahl der Geishas (aktuell noch etwa 600 in Kyoto), und es gibt nur noch in Tokio und eben in Kyoto (das grösste in ganz Japan) Hanamachis. Um einen Abend von einer Geisha unterhalten zu werden muss man tief in die Tasche greifen. Ab etwa 800€ wird man beim Abendessen von einer traditionellen japanischen Unterhaltungskünstlerin exklusiv bespaßt.
Nun zum Ziel des Abends, dem “Geisha-Hunting”: Die Wohnhäuser der Geisha`s (“Okiyas” genannt) befinden sich zumeist in den Hanamachis direkt in der Nähe der Restaurants. Es ist schwierig sie zu erwischen, da sie (trotz der “Holz-Flip-Flops”) ganz schnell laufen, und sehr scheu sind. Fotos mögen sie auch nicht so sehr. Zumeist sieht man sie nur ganz kurz schnell aus einem Restaurant heraus in ein Taxi springen, oder im Joggingtempo die kurze Strecke zwischen Restaurant und Okiya zurücklegend… entsprechend sahen auch meine ersten Fotoversuche aus
Eine junge Geisha konnte ich dann doch mit Händen und Füssen überreden kurz für ein Foto stehen zu bleiben
War ne tolle Erfahrung. Dass diese Tradition mit den Hanamachis und den Geishas überhaupt noch so gelebt wird war mir überhaupt nicht bewusst…
So, Zeit zum Schlafen. Morgen gibts bestimmt wieder einige Tempel und ganz viele Kirschblüten zu sehen
Grüsse aus Kyoto