Dienstag, 25.12.: Wie bereits gestern angedeutet nächtigten wir heute im Zug nach Varanasi. Trotz der späten Abendstunde war an unserem Abfahrtsort (Jhansi) die Hölle los. Auch hier erlebt man Indien pur. Man muss wirklich aufpassen, dass man bei dem Gewusel auf den Bahnsteigen nicht zufällig auf einen schlafenden Hund oder gar Menschen tritt, die sehr zahlreich auf dem Boden schliefen.
Der Einstieg und die Zugfahrt waren dann deutlich weniger chaotisch als vorher vermutet, auch wenn man da von Komfort sicherlich nicht sprechen kann.
Nach etwa 12 Stunden Fahrt hatte ich glücklicherweise einige Stunden Schlaf bekommen, so dass ich Ruby`s “Wake up call” in einigermaßen ausgeruhtem Zustand vernahm.
In unserem Hotel für die nächsten beiden Nächte kam zum ersten mal so etwas wie Weihnachtsstimmung auf… immerhin ein Plastikweihnachtsbaum war vorhanden.
Bevor wir wieder zurück nach Dheli fliegen ist also Varanasi die letzte Station unserer Tour durch den Norden. Ich hatte über die immerhin 1,5 Millionen Einwohner zählende Stadt am heiligen Fluß Ganges schon viel gelesen, und war deshalb umso gespannter. Auch Ruby hatte uns Varanasi als absolutes Highlight und “Mindblowing” angekündigt.
Mit den Tuck Tucks ging es am späten Nachmittag Richtung Gangesufer, von wo aus eine längere Bootstour geplant war.
Der Anblick des für die Hindus heiligen Flußes ist wirklich sehr beeindruckend. Varanasi zieht sich übrigens nur entlang eines Flußufers. Auf der anderen Seite beginnen Wüste bzw. Wald.
Nach einem kurzen Spaziergang am Ufer stiegen wir dann auf das Boot um, und fuhren das Ufer des Ganges ab. Das Highlight der Stadt sind weder große Tempelanlagen, Festungen oder andere Gebäude, sondern insgesamt 80 Ghats. So eine richtige Übersetzung dafür ist mir bisher noch nicht eingefallen. Am ehesten beschreibt ein Ghat wohl einen Uferabschnitt des Ganges. An jedem Ghat ist irgendetwas los: Am einen Ghat wird gebetet, am zweiten wird gebadet, am dritten wird Wäsche gewaschen…
…und an einigen werden Tote verbrannt, wie hier am “Manikarnika Ghat”, dem größten Totenverbrennungsghat von Varanasi. Was Mekka für den Islam ist, stellt zweifelsfrei Varanasi für die Hindus dar. Es ist der Wallfahrtsort des Hinduismus. Jeder Hindu sollte während seines Lebens mindestens einmal hier gewesen sein. Für viele Gläubige ist es der Wunsch bzw. das Ziel in Varanasi zu sterben oder zumindest dort verbrannt zu werden, um so in den Himmel aufgenommen zu werden. Deshalb sieht man in der Stadt auch sehr viele alte und kranke Menschen, die quasi auf den Tot warten. Ist dieser dann eingetreten sorgen in der Regel nur die engen männlichen Verwandten für die Verbrennung. Nach der Reinigung des Toten im Wasser des heiligen Ganges ist es den Söhnen vorbehalten (Stirbt ein Familienvater entzündet der älteste Sohn das Feuer, stirbt die Mutter ist dies die Aufgabe des jüngsten Sohnes) das Feuer zu entfachen. So etwas einmal live zu sehen ist schon sehr merkwürdig und intensiv…
Allein am Manikarnika Ghat werden täglich über 200 Tote verbrannt, oft 7 bzw. 8 Leichen gleichzeitig, und das 24 Stunden am Tag. Die Flammen sind schon von weitem zu sehen… Wie schon oben geschrieben: Eine sehr intensive Erfahrung, die ich sicherlich nicht jeden Tag machen muss.
Zwei Ghats weiter (und absolut in Sichtweite der Totenverbrennungsghats) wird dann schon wieder getanzt und gefeiert… Eben ein Land voller Gegensätze.
Wir setzten unsere Bootstour fort und durften zwischendurch eine Kerze (verbunden mit einem Wusch) in den Fluss setzen. Einige sind leider gleich ertrunken, andere haben doch einige Zeit durchgehalten.
Wie gefühlt 100 andere Boote schauten wir uns um 18 Uhr am “Dasashwamedh Ghat” eine Hinduzeremonie (“Ganga Aarti”) an. Dabei beteten insgesamt 7 Mönche bei lautem Glockenläuten recht imposant vor den vielen Zuschauen an Land und im Wasser.
Als kleine Überraschung hatte Ruby für uns alle eine Weihnachtsmütze mitgebracht, die sie vor dem Abendessen verteilte. Unter uns Reisenden wurde anschließend noch gewichtelt. Ganz lustige Idee von Debra
Auf unserem kurzen Abendspaziergang durch die volle und hektische Stadt (ich hatte das schon fast vermisst ) waren wir aufgrund unserer Kopfbedeckungen gut zu erkennen. Viele Hindus wünschten uns mit einem Lächeln auf den Lippen frohe Weihnachten.
Sogar eine Kirche gibt es hier in Varanasi. Ziemlich klein und eng, dafür aber aufwendig beleuchtet und mit sehr, sehr lauter Musik ausgestattet.
Mit den Tuck Tucks ging es dann wieder zurück zum Hotel. Morgen früh steht die nächste Bootstour auf dem Programm. Sonnenaufgang auf dem Ganges ist angesagt. Bestimmt kann ich morgen Abend noch viel mehr über die Stadt berichten.
Bis dahin